Deutsches Theater Almaty

 

08.07.98 Hannoversche Neue Presse
7.7.98 Brief von Dr. Günther Rühle, Frankfurt
06.07.98 Ostthüringische Zeitung
04.07.98 Sächsische Zeitung
01.07.98 Brief HdK Berlin

 


 

Hannoversche Neue Presse vom 8. Juli 1998
von Jörg Worat

Stück über Tod, Schwestern und den Trunkenheitsgrad von Ärzten Schauspieler aus Kasachstan bei Theaterformen

Hannover. Ein ungewöhnliches Gastspiel bei der Sommerakademie der Theaterformen: Im Ballhof zeigte die Abschlußklasse der Deutschen Theaterakademie Almaty in Kasachstan das Stück "Glücksfelder", eine Collage über den Alltag in dieser Gegend ...... Viktor Nemtschenko spielt den Gevatter Tod und behandelt das weibliche Septett zwar charmant, aber auch recht zynisch. "Geh weinen!" beendet er da einen vereinzelten Anfall von Frohmut.
In der Tat sind die Verhältnisse, die das Ensemble (je zur Hälfte Rußlanddeutsche und Russen) hier schildert, mehr als herb. In einem Krankenhaus etwa hängt die Qualität der Behandlung vom verfügbaren Geld, von den Launen der Schwestern und vom Trunkenheitsgrad der Ärzteschaft ab. Das sei gar nich so sehr übertrieben, erzählt der künstlerische Leiter der Akademie anschließend der NP: "Jeder von denen auf der Bühne", meint der Mann mit dem Künstlernamen "Freitag", "hat mindestens einen Verwandten im Krankenhaus. Die wissen, wovon sie sprechen." Das Spiel in der kargen Kulisse hat auch Humor. Etwa eine Beleidigung wie "Du dummes deutsches Bierfaß", Anmerkung des Sensenmanns zum Expo-Café (Da fragte man mich ob ich der neue Vorstand bin") oder der verhalten optimistische Schluß. Dieses Stück hat viele Facetten. Man kann was über das Leben lernen. ........

 


 

Brief von Dr. Günther Rühle
Präsident der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste,
Frankfurt

 
Frankfurt, den 7.7.1998

Lieber Herr Freitag,
 
die Begegnung mit Ihrer jungen Theatergruppe aus Kasachstan bei dem Treffen der Deutschen Schauspielschuelen war eine große Freude. Selbst wir guten Theaterkenner wußten nichts von deren Existenz und von Ihrer vorzüglichen Arbeit. Die Aufführung der "Glücksfelder" in München hat viele von uns sehr bewegt, weil sie mit so einfachen Mitteln einen ergreifenden Eindruck in das dortige Leben und die jungen Schauspieler mit einer Intensität dem Theater eine Wirkung gaben, die alles zu einem Ereignis für uns machte.
Wir danken Ihnen für diese Arbeit und hoffen, Sie im nächsten Jahr bei der "Woche junger Schauspieler" in Bensheim an der Bergstrasse wiedersehen zu können.
Es ist unser Wunsch, dem westdeutschen Publikum diese Inszenierung zu zeigen, bevor die Möglichkeiten wegen der starken Abwanderung dort drüben ganz erlöschen. Sagen Sie mir, wie die Dinge stehen, wenn Sie die jetzigen Gastspiele in Deutschland hinter sich haben.
Ich spreche Ihnen die Anerkennung der Akademie aus.
 
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Günther Rühle
 
Deutsche Akademie der Darstellenden Künste
Palmengarten
Siesmayerstr. 61
60323 Frankfurt
Tel/fax 069 - 745428

 


 

Ostthüringische Zeitung vom 6. Juli 1998
von Angelika Bohn

Vom schwierigen Umbau
Deutsches Theater aus Kasachstan zu Gast in den Kammerspielen Gera

Sie sind blutjung, bildhübsch und voller Spielfreude.
Sie haben die Deutsche Theaterakademie Almaty in Kasachstan absolviert und sind mit ihrer Abschlußarbeit auf Deutschlandtournee. Nach München, Berlin und Bautzen machten sie am Sonnabend in Gera beim kleinen Festival "Deutsches Theater aus Osteuropa und Kasachstan" Station und lockten viele ehemalige Landsleute in die Kammerspiele.
Sie heißen Arina, Inna, Nelli, Oxana, Natascha, Larissa, Viktoria und Viktor, sind sieben Mädchen und ein Mann und brachten ein Stück mit, das die junge Autorin Ingrid Lausund aus Ulm extra für dieses ungewöhnliche Mischungsverhältnis der Geschlechter geschrieben hat. Doch nicht nur diese Hürde hat die Autorin gemeistert. Ihr ist ein Stück gelungen, das mit minimalem Bühnenbild, Requisiten und Kostümen aus der Altkleidersammlung auskommt, und voll Witz und Poesie vom kleinen Menschenleben und seinen großen Schwierigkeiten erzählt.
"Glücksfelder" berichtet vom schwierigen Umbau der Gesellschaft in den Ländern der ehemaligen GUS ohne den Zeigefinger zu erheben. Gewiß, die Verhältnisse sind undurchsichtig und tragisch. Nichts ist, wie es war. Keiner weiß, wie es weitergeht, und wohl gerade darum ist "Glücksfelder" eine Komödie geworden. Und was für eine! Da sind sieben junge Frauen, sieben Frauentypen, die kalte Schönheit (Viktoria Kist) und die im Kummer über ihren kalten Mann stets betrunkene Hausfrau (Larissa Iwlewa). Da gibt es Pointé, die so gerne den sterbenden Schwan tanzen würde (Natascha Dubs), und die graue ungeliebte Maus Warwara (Oxana Temenko). Da sind dann noch die fleißige Anna (Arina Chestnowa), die fröhliche Galina (Nelli Neff) und Sonja (Inna Grischmanowskaja), die für soziale Gerechtigkeit kämpft. Und schließlich der Tod (Viktor Nemtschenko), der die Mädchen wie Puppen tanzen lassen kann, kennt er doch ihre Sehnsüchte, Träume und Hoffnungen. Nur wer mittanzt, mitspielt, kann gewinnen.
Ganz wie bei "Glücksfelder", einer populären Abendshow des russischen Fernsehens, bei der die Kandidaten Gelegenheit bekommen, etwas über sich zu erzählen, und durch Ratekünste oder indem sie auf das richtige Feld des Glücksrads setzten, siegen können.
Doch mit dem Tod spielen kann eine tödliche Angelegenheit sein. Daraus gewinnen Stück und Spiel jene schöne Balance zwischen Ernst und Anrührung auf der einen Seite und kabarattistischen Einlagen und grotesker Zuspitzung auf der anderen. "Glücksfelder" zeigt Menschen gefangen in Apathie, ohne Initiative und dann wieder voller Lebensgier und Eitelkeit. Menschen, die lernen wollen, rücksichtslos und selbstsüchtig zu sein. Die trainieren, immer zu lächeln. Menschen, die wild entschlossen sind, erfolgreich und westlich zu werden und doch immer wieder über ihre eigenen Füße stolpern. So gekonnt gespielt, so unverschämt komisch und verschämt traurig kann Theater sein.

 


 

Sächsische Zeitung vom 4./5. Juli 1998
von Carmen Schumann

Streiflichter aus Kasachstan Deutsches Theater Almaty in Bautzen stürmisch gefeiert

Zeugen eines ungewöhnlichen Theater-Erlebnisses waren am Donnerstag abend die Zuschauer der Aufführung des Stücks "Glücksfelder" vom deutschen Theater Almaty aus Kasachstan.
Die Bautzener feierten die junge Truppe, die aus acht Schauspielern, der Autorin und Regisseurin Ingrid Lausund und einigen technischen Mitarbeitern besteht, mit stürmischem Beifall. .........

Die Darstellerinnen verkörpern sieben unterschiedliche Charaktere, die aus ihrem Lebensumfeld blitzlichtartig verschiedene Situationen erhellen. Es ist ein Blick auf die Zustände im heutigen Kasachstan; die unter anderem von katastrophalen Verhältnissen in den Krankenhäusern und von einer schrecklichen Apathie unter den Menschen gekennzeichnet sind. So sind die Hauptheldinnen eigentlich schon gestorben und der Tod, dargestellt von Viktor Nemtschenko, führt im Stück die Regie.

Erst am Ende nehmen die Mädchen die Zügel wieder selbst in die Hand. Ein Hoffnungsschimmer? Das Stück, das die Darsteller mit den Zuschauern auf der Hauptbühne vereinte, ist eine Collage aus Schauspiel und Tanz.
Erstaunlich, welch tänzerische Leistungen und körperliche Präsenz die Darsteller, allen voran Viktor Nemtschenko, an den Tag legten.

 


 

Brief, 1. Juli 1998
Hochschule der Künste, Fakultät Darstellende Kunst, Fasanenstraße 1 B,
10623 Berlin (Charlottenburg), Postfach 12 67 20, 10595 Berlin

 

Betr.: Gastspiel der Deutschen Theaterakademie Almaty mit "Glücksfelder"
Stück und Regie: Ingrid Lausund
auf Einladung der Hochschule der Künste, Studiengang Schauspiel, am 29.Juni 1998

Sehr geehrter Herr Freitag,
schön, daß Sie bei uns waren. Die begeisterte Aufnahme von Stück und Inszenierung durch unsere Schauspielstudierenden und die anschließenden Gespräche im Kreise der Dozenten und Studierenden mit den Schauspielern aus Almaty haben uns gezeigt, daß Ihre Truppe mit "Glücksfeldern" ein Theater gelungen ist, das unmittelbar ins Herz und von da ins Hirn geht. Das Theater Almaty ist um dieses Ensemble von jungen Frauen zu beneiden.

Das Ensemble deutschsprachiger Schauspielerinnen und Schauspieler der Deutschen Theaterakademie verdient jegliche Förderung. Ich wünsche, daß "Glücksfelder" noch von vielen Menschen in den deutschsprachigen Ländern gesehen wird.

Mit freundlichen Grüßen,
Prof. Dr. Andreas Wirth
Prodekan

 


 

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