Deutsches Theater Almaty

 

23. Juni 1999, Brief Christiane Herzog, Berlin
Juni 1999, Brief Schauspiel Intendanz, Stuttgart
Juni 1999, Berliner Zeitung
Juni 1999, Berliner Morgenpost


 


 

23. Juni 1999, Berlin
Brief Christiane Herzog

 

Sehr geehrter Herr Freitag,
 
haben Sie herzlichen Dank für das großartige Gastspiel "Glücksfelder" des jungen Ensembles am Deutschen Theater Almaty.
 
Wer nicht weiß, kann sicher nicht glauben, daß dieses von Ingrid Lausund inszenierte Stück aus einer Diplomarbeit entstanden ist.
 
Hier zeigen acht junge, erfolgversprechende Schauspieler ein Stück aus dem Leben - dem Leben in Kasachstan. Sie setzen ihre Hoffnungen, Wünsche und Ihre Lebensrealität gekonnt, einfühlsam und dabei "erschreckend ernst" in Szene und lassen sich dabei trotz aller Widrigkeiten der gesellschaftlichen Umstände ihrer Lebenslust nicht berauben.
 
"Sein oder Nichtsein" - am Ende siegt das Sein - , das Leben wollen.
"Fangen wir an", nicht morgen sondern heute.
Dies ist am Ende des Stückes die Lebensmaxime, die bleibt.
 
Dadurch werden diese jungen Menschen nicht nur Vorbild für die Menschen in Kasachstan das eigene Schicksal in die Hand zu nehmen, sondern auch Botschafter ihres Landes für das Deutsche Theater in Almaty.
Es bleibt zu hoffen, daß dieses junge Ensemble auch nach Ihrer Tournee auf Ihrem erfolgversprechenden Weg weiterarbeiten kann.
Ihnen danke ich füe die Unterstützung des Ensembles und bitte Sie, meinen Dank und guten Wünsche an die Schauspieler weiterzugeben.
 
Mit herzlichen Grüßen aus dem Schloß Bellevue
Ihre Christiane Herzog

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Brief Schauspiel Intendanz, Stuttgart
von Friedrich Schirmer
 

Schauspiel Intendanz
Oberer Schloßgarten 6
70173 Stuttgart
Tel. 0711-20 32 443
Fax 0711-20 32 516
 
Postfach 10 43 45
70038 Stuttgart
www.staatstheater.stuttgart.de
 
Deutsches Theater Almaty
Frau Lausund
Herrn Freitag
Frauenlobstr. 24
80337 München
 
21.6.99
 
Sehr verehrte Frau Lausund, sehr geehrter Herr Freitag,
 
ich möchte Ihnen beiden noch einmal für das beglückende Erlebnis beim Gastspiel des Deutschen Theaters Almaty im Stuttgarter Wilhelma Theater danken.
Die Spielfreude des Ensembles, der Witz und die Direktheit des Stückes und der Aufführung waren mitreißend und überzeugend.
Als "freche" Kulturbotschafter zwischen zwei politisch und geographisch sehr verschiedenen Welten haben Sie und Ihr Ensemble eine wirklich bemerkenswerte Spielart theatralischer Diplomatie und vergnüglicher Völkerverständigung im und auf dem Theater kreiert.
Für deren erfoglreiche Fortentwicklung wünsche ich Ihnen von Herzen alles erdenklich Gute.
 
Mit herzlichen Grüßen,
 
Friedrich Schirmer

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Berliner Zeitung vom 19./20. Juni 1999
von Susanne Balthasar

Das Glück in Kasachstan
Das Deutsche Theater aus Almaty gibt ein Gastspiel im Theater am Ufer

 
Die Arme sind ab, die Beine sind ab, den Kopf hat es auch erwischt. Und mit den Prothesen kommt es noch schlimmer: Ein Bein ist aus Kasachstan, das andere aus Usbekistan, dazu russische Arme und ein deutscher Kopf – jeder Schritt ein Zappelballett, ein disharmonisches Hampeln und Keilen. Das ist schönster Slapstick, aber eigentlich gar nicht zum Lachen. Dieser Identitätskrüppel ist wie Kasachstan, ein multiethnisches Völkergemisch. In der ehemaligen Sowjetrepublik leben unter anderen auch 250 000 Deutsche, weshalb es in der kasachischen Hauptstadt Almaty (früher Alma Ata) ein Deutsches Theater gibt. Ohne die Zuschüsse des Auswärtigen Amtes könnte die Bühne nicht überleben und keine Gastspielreise antreten.
 
Für das Theater in Almaty hat die Ravensburgerin Ingrid Lausund das Erfolgsstück "Glücksfelder" geschrieben und die Regie übernommen. Auf der Bühne aber läßt sie den Tod Regie führen: Er hat das Buch unter dem Arm, in dem das Leben der sieben Hauptdarstellerinnen vorgezeichnet ist. "Alles ist ein Spiel", sagt der Sensemann und grinst, dann läßt er seine Puppen tanzen. Die tanzen mit, weil sie gewinnen wollen.
 
Es ist eine Lebensshow, die da auf der Bühne aufgeführt und vom Tod moderiert wird: "Hier ist glücklich, wer sein eigenes Unglück hat." Das Leben der sieben Frauen erscheint als schwarzhumorige Absurdität und Kasachstan als ein Land, in dem sich die Menschen ausgehöhlte Brote als "deutsche Spezialität" aufschwatzen lassen.
 
"Glücksfelder" ist angelehnt an eine gleichnamige russische Fernsehshow, in der die Leute ihre Träume erzählen und darauf hoffen, einmal zu gewinnen. Das Theaterstück spielt mit den Elementen der Show: Lieder, Tanzszenen, Comedy, Quiz, Pantomime. Allmählich verschwimmen die Grenzen zwischen Fernsehen, Theater und Leben und es ergibt sich eine groteske Schicksalsrevue voll Ironie und Witz, aber auch Tragik. Den sieben Frauen vergeht bald die Lust auf die Show, denn ihnen dräut, daß das Spiel mit dem Tod fatal ist. Doch das Stück geht weiter und weiter. Zwei Stunden lang und ungeheuer kurzweilig.

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Berliner Morgenpost vom 17. Juni 1999
von Peter Hans Göpfert
Künstlerische Leitung

Kaugummi gegen Folklore
 
Diesem Gastspiel reiste der Ruhm schon voraus. Vergangenes Jahr bekamen die "Glücksfelder" der Autorin und Regisseurin Ingrid Lausund beim Treffen deutschsprachiger Schauspielschulen in München den Sonderpreis der Jury, beim Festival "Theaterformen" in Hannover fanden sie große Aufmerksamkeit. Fast schon zwei Monate ist das Deutsche Theater Almaty jetzt auf Tournee durch die Bundesrepublik und die Schweiz.
Das Theater am Ufer in Berlin ist vorletzte deutsche Station, bevor die Reise nach Amsterdam weitergeht. Seit der Auswanderung des kompletten, auch hierzulande bekannt gewordenen Ensembles und dem Exodus viel-hunderttausender Rußlanddeutscher aus Kasachstan, die den Resonanzboden des Theaters bildeten, spielen in dieser Inszenierung sieben junge Frauen und ein Mann, Absolventen der vom Institut für Auslandsbeziehungen geförderten Deutschen Theaterakademie von Almaty (früher Alma Ata).
Lausund, die demnächst für die Expo Hannover und am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg arbeiten soll, hat sich von einer kasachischen Fernsehsendung inspirieren lassen. "Glücksfelder" – damit ist das Land nach der Auflösung der Sowjetunion gemeint. Showmaster ist der Tod, ein androgyner Typ, der mit aasigem Lächeln und Pirandello-Touch den Ausbruch der Rollen aus dem Stück verhindert und improvisierenden Kontakt zum Publikum hält.
Die Frauen verkörpern in einer Folge von Sketchen und Nummern die Stimmungen, Träume, Depressionen und Euphorien unterschiedlicher Charaktere. Die einen sehnen sich nach der großen weiten westlichen Welt, die anderen nur nach einer sättigenden, wohlschmeckenden Mahlzeit. Eine hochmütige Touristin verstopft der Folkloresängerin buchstäblich mit Chewing-Gum den Mund. Eine Hausfrau klagt über den ewig müden Mann; sie hat ihm das eigene Herz am Spieß serviert, aber er fand es nur ungenügend gesalzen. Eine Ballerina bekam nach einem Flugzeugabsturz neue Arme und Beine, sogar einen fremden Kopf transplantiert, alle Körperteile verschiedener nationaler Herkunft – das multichaotische Resultat ist beträchtlich.
Manchmal wirkt die Aufführung etwas überdreht. Aber das frische Spiel hat poetische Naivität, es sprüht Humor, wird bisweilen rührend und läßt immer wieder Hoffnung auf eine neue, bessere Zukunft hören. Nach einer makaber grotesken Kabarett-Szene über ein schrecklich unqualifiziertes Krankenhaus stoßen die Frauen darauf an, daß diese Nummer möglichst bald aus dem Stück gestrichen werde.
Ein "armes", kleines, ein unverwechselbares Theater ist hier zu erleben. Und jeden Moment spürt der Zuschauer genau: Es geht ihm um die eigene Lebensrealität. Das Gastspiel hat jeden Abend ein volles Haus verdient.

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